Frailea x chiquitana/cataphracta
Udo Köhler
Ferien in München führten mich, dank eines
Hinweises des dortigen DKG-Ortsgruppenleiters,
Herrn FRANZ POLZ, ZU Herrn Dr. MANFRED
HARTL, den ich bisher nur brieflich als Kakteenfreund
kannte. Er zeigte mir freundlicherweise
seine umfangreiche Sammlung, die er in einem
höheren Etagen-Miethaus auf dem Balkon aufgebaut
hat.
Die Pflanzen waren so tags und nachts der jeweiligen
Witterung ausgesetzt und fühlten sich
offenbar sehr wohl dabei, denn sie befanden
sich in einem vorzüglichen Zustand. Zudem
gab es in der Sammlung viele Raritäten und
als schwierig bekannte Arten, die offenbar mit
Umsicht und Können zu Wachsen und Blühen
und Fruchten gebracht werden. Das Können besteht
in einem „Fingerspitzengefühl", jede
Pflanze an ihren richtigen Platz zu stellen.
Hartls Beobachtungen zeigen ihm, welche Arten
in greller Sonne, in leichtem Schatten oder
gar im Vollschatten gedeihen. Diese geeigneten
Plätze wurden ohne besondere Einrichtungen
geschaffen, indem kleinere Arten eben in den
Schatten größerer Pflanzen gestellt werden.
Es fielen mir nun als „Fraileenfreund" eine
Reihe halbschattig stehender Arten auf, die
prächtig gedeihen und — wie mir versichert
wurde — trotz des Halbschattens auch blühen.
Z. B. die Frailea asterioides-castanea-Gruppe.
Ich erinnerte mich bei dieser Kultur daran, daß
in älteren „Lehrbüchern" wiederholt davon die
Rede ist, daß man Fraileen halbschattig halten
und nur zum Öffnen der Blüte ins volle Sonnenlicht
stellen solle 1).
Herr Dr. HARTL bestätigte mir aber, daß die
Fraileen auch im Halbschatten voll und reich
blühen.
Zum Blühverhalten der Fraileen möchte ich die
Beobachtung WILHELM SIMONS bestätigen, daß
Fraileen — wenn sie blühen sollen — im
Wachstum nicht gestört werden dürfen (durchUmtopfen z. B.), weil sie sonst in unseren klimatischen
Verhältnissen zur Kleistogamie neigen,
daß im übrigen das Sonnenlicht allein
nicht entscheidend für das Blühen ist: Am sonnigsten
Tage bei kühler Witterung öffnen sich
Fraileenblüten selten, selbst wenn die Knospe
zum Aufspringen reif ist, eher vertrocknet sie
wieder. Es muß offenbar zum Sonnenlicht auch
die nötige Wärme hinzukommen.
Fraileen scheinen allgemein wärmeliebend zu
sein, besonders die neueren Arten aus Ost-Bolivien. Jedenfalls ist die Ansicht BACKEBERGS
2), daß die Blüten sich nur bei voller
Sonne öffnen, dahin zu korrigieren, daß sie sich
nur bei Sonne und genügender Wärme öffnen,
wie es auch schon CULLMANN und BALZER 3)
feststellen.
Bild 1. Herr Hartl und seine Balkon-Sammlung.

Bild 2.
Frailea chiquitana cataphracta
in Knospe..... Bild 3.
. . . und voll aufgeblüht. (Fotos: Köhler)
Diese Wärme war in dem sonnigen und war-men Sommer 1969 gegeben. Übrigens bin ich
auch der Meinung, daß BACKEBERGS Behauptung
„die wenig sprossenden (Fraileen) scheinen
ziemlich kurzlebig zu sein" nicht zutrifft 4). Ich
habe schon lange Fraileen gepflegt, seit zehn
Jahren sehr intensiv. Die Verluste sind nicht
größer als bei Rebutien, Parodien oder Lobivien.
Pfropfen ist (außer um schneller Vermehrung
willen) meist entbehrlich und reine
Geschmackssache.
Unter den Pflanzen des Herrn Dr. HARTL fand
ich eine bewußt gezogene, interessante Hybride.
Eine Frailea chiquitana-Blüte wurde mangels
einer zweiten chiquitana-Pflanze mit Frailea
cataphracta gekreuzt. Ergebnis: Wüchsige
Pflanzen mit Cataphracta-Charakter, die ebenfalls
den „Halbmond" tragen, der übrigens
auch bei Frailea uhligiana und einigen Frailea
pullispina-Formen auftritt. Die kräftig gelbe
Blüte von 6,5 cm Durchmesser hat rote Staub beutel
und -fäden, so daß ein roter Schlund
entsteht.
Mir wurde ein Topf dieser Hybride freundlicherweise
geschenkt und — siehe da! — er
blühte in der günstigen Herbsttemperatur auch
in der sonst so kalten Eifel! Die Pflanze blühte
also wiederholt im Laufe eines Blütenjahres.
Das gilt für viele andere Arten auch. Also: Es
lohnt sich, Fraileen zu pflegen!
1) Walther Haage „Das praktische Kakteenbuch in Farben"
1961, S. 231
2) Curt Backeberg „Blätter für Kakteenforschung" 1934 - 11
3) Cullmann Balzer „Kakteen unser Hobby" 1963, S. 85
4) Curt Backeberg „Die Cactaceae", Bd. III, S. 1656
Anschrift des Verfassers: Udo Köhler,
Gerolstein (Eifel), Sarresdorfer Straße 15
Bild 4
Frailea chiquitana,
Importpflanze bei Firma UHLIG.
(Foto: J. Bosch)