Seit einigen Jahren bin ich immer wieder im Nordwesten von Uruguay, um die Notokakteen mit roten Blüten in der Natur zu sehen. Es sind dieses
N. rutilans Daeniker & Krainz und N. roseiflorus Schlosser. Vor zwei Jahren habe ich in Internoto den einige zeit zuvor entdeckten
Notocactus rutilans fa. robustior beschrieben. Die Unterschiede zum Typus der Art sind: größere Körpermaße - bis 9 cm Durchmesser und 45 cm Höhe und häufiges Sprossen. Das Kulturmaterial beider Arten hat einzelne kleinere Körper bis 6 cm breit und 15 cm hoch. Unterschiede bei Blüten- und Samenmerkmalen waren nicht festzustellen. Ich habe vermutet, dass wir hiermit den 70 Jahre lang verschollenen alten Fundort von
N. rutilans Daeniker & Krainz wiedergefunden haben. Mehr als 50 Jahre war die handgeschriebene Notiz auf dem Herbarblatt der Beschreibung von N. rutilans falsch gedeutet wurden. Der Fundort war nicht Cerro Largo, sondern Cerro Leon. Am Fluss Canada del Capón nahe Bernabe Rivera liegt dieser Platz nur 15 km von der brasilianischen Grenze entfernt.
Ich ging am Vormittag des 26. Oktober 2009 noch davon aus, dass ich in der Erstbeschreibung richtig formuliert hatte. „Die Population von
N. rutilans fa. robustior besteht aus zirka 200 einheitlichen Pflanzen. Andere Notokakteen kommen in der Umgebung nicht vor!" Es gibt was Neues zu berichten. Am 27. Oktober 2009 habe ich alle Pflanzen mit Blüten sehen können. Mehrfach haben wir ausgezählt und kamen auf 186 erwachsene Einzelpflanzen oder Gruppen von
N. rutilans fa. robustior. Nur 60 bis 70 Meter entfernt fanden wir eine unbeschriebene Art aus der Verwandtschaft von
N. mammulosus (Lemaire) Berger ex Backbg. Es waren nur 15 kugelige Pflanzen, die einheitlich gelb blühten. Diese Pflanzen haben sehr helle Blütenknospen und Populationen kommen bis ins östliche Rio Grande do Sul immer wieder vor. Ein Freund hat dafür den Namen
albigemmatus n.n. vorgeschlagen. Recht selten wachsen in der Gegend auch noch
G. uruguayense (Arechavaleta) Spegazzini,
Frailea pumila (Lemaire) Britton & Rose und
Frailea castanea Backeberg. Diese können wir an den sumpfigen Teilen des Geländes sehen. Sie sind gut getarnt: Die Frailea hat die gleiche Farbe wie die rotbraune Erde, und das Gymnocalycium ist ganz in den Boden gezogen.

Frailea castanea (foto: Norbert Gerloff)
Wir suchen auf den steinigen Flächen. Leider gehören die interessanten Pflanzen der westlichen Pampa alle zur Untergattung Neonotocactus, welche erst nach 15 Uhr ihre Blüten öffnen. Mein brasilianischer Fahrer meinte einmal: „Wenn der Liebe Gott Kakteenfreund wäre, dann würde er zwei Stunden vom Vormittag wegnehmen und am Nachmittag wieder anhängen!" Wir haben eine andere Strategie entwickelt: Vormittags wird unbekanntes Gebiet erkundet - wenn wir Pflanzen entdecken, können wir an einem Nachmittag zurückkehren und die Blüten untersuchen. Am 26. waren wir um einen Tag zu früh am Fundort. Das gab uns Zeit, um auf einer Farm in der Umgebung nach Steinen und roten Blüten zu fragen. Das Ehepaar war freundlich und zu unserem Erstaunen kannten sie die Pflanzen auf den Steinfeldern in 1,5 km Entfernung. Die beiden Töchter hatten sich aus einem Ei einen Nandu (Strauß) gezogen, der sich sogar anfassen ließ.
Ich hatte mir im Habitat von N. rutilans eine Raupe in ein Glas gefangen, die ich an den Pflanzen zu Tausenden gefunden habe. Die 1 cm langen hellen Borsten an den gelb-braunen Raupen haben mit an den Fingern ein unangenehmes Brennen erzeugt. Ich werde diese Tiere nicht mehr ohne Handschutz anfassen. Ich wollte wissen, welcher Schmetterling sich aus der Larve entwickeln würde und zeigte diese Raupe den Bewohnern. Sie wussten es nicht, denn Schmetterlinge sind in der schattenlosen Gegend nicht häufig anzutreffen. Sie kannten aber die Raupe und erzählten, dass diese Raupen alle paar Jahre Ende Oktober und Anfang November in Massen auftreten. Ab Mitte November sind sie wieder verschwunden. Sie haben sich auf die Blütezeit der Notokakteen eingerichtet. Ich kann mir das nicht erklären, denn es gibt einige Kilometer weit keine Büsche oder Bäume. Im Vorjahr (2008) waren zwei Freunde von mir hier. Sie haben am 8. November 2008 diese Raupen nicht bemerkt. Im Jahre 2007 waren wir mit 5 Leuten um den 7. und dann wieder am 12. November hier und fanden nur ganz wenige Raupen. Im Jahr 2009 waren diese Raupen fast eine Plage. Am gleichen Nachmittag habe ich mehrfach Pflanzen erst von den Raupen befreien müssen, bevor ich sie fotografieren konnte. Sind erst einmal die Blüten angefressen, dann kann man auch Ameisen darin sehen. Die Raupen bevorzugen die saftigen Blütenblätter, die Ameisen klettern zu den Staubgefäßen und Nektarien. Bei weiteren Aufnahmen konnte ich sehen, dass sie die Blütenblätter vor der Öffnung aus den Knospen fressen. Wir sahen noch andere Fresser aus der Familie der Insekten. An diesem Platz war die Anzahl der Bienen nicht so zahlreich wie sonst. Es gibt hier ausschließlich extemsive Viehhaltung und das Aufstellen von Bienenvölkern haben wir in Norduruguay nicht sehen können.
Am nächsten Tag waren wir von 15 bis 18 Uhr wieder hier. Alle blühfähigen Pflanzen hatten offene Blüten, bis zu 20 Stück an einem Exemplar oder an einer Gruppe.
Der Fundplatz von
Notocactus roseiflorus Schlosser liegt 15 km Luftlinie weiter östlich - er ist ganz anders strukturiert. Hugo Schlosser hatte hier vor 25 Jahren die ersten Pflanzen gesammelt und bearbeitet. Einer seiner Begleiter berichtete mir, dass damals noch Tausende von Pflanzen vorhanden waren. Sie haben nicht weit weg von der Straße ins Feld laufen müssen. Heute findet man die ersten Pflanzen erst nach 500 Meter Fußmarsch. Wir haben heute noch zirka 600 blühfähige Pflanzen auf einer Steinfläche von 5 Hektar gesehen. Davon sind 150 Exemplare dem
N. roseiflorus Schlosser zuzurechnen. Die Blüte dieser Art haben keine gelbe Farbe in den Blüten, das Rosa geht über nach Weiß im Grunde der Blüten. 150 Pflanzen sind
N. mammulosus (Lemaire) Berger ex. Backbg., die Gruppen bis 40 cm Durchmesser ausbilden. Ich habe Pflanzen mit bis zu 50 gelben Blüten gesehen. Der Name Sierra Yacare (Hügel der Krokodile) ist ein Witz, denn es gibt keine Hügel. Die Steinflächen sind nur 5 Meter höher als die Senken mit den Bächen.
Die Hälfte der Pflanzen ist eine unbeschriebene neue Art, die ohne Blüten dem
N. mammulosus sehr ähnlich ist. Es sind kugelige Pflanzen von 10 bis 14 cm Höhe und Durchmesser. Die Blüten haben eine besondere Eigenart: Wenn sie erstmals öffnen, dann sind sie in der Färbung dem
N. rutilans gleich, an den folgenden Tagen werden die Blütenblätter immer heller - am vierten oder fünften Blütentag sind sie fast weiß.
In der Kultur ist
N. rutilans sehr häufig zu finden - selbst in den Sammlungen, welche die Gattung Notocactus nicht bevorzugen. Leider bleiben die alten Pflanzen nicht aufrecht stehen. Bei mehr als 20 cm Körperlänge sind sie an der Basis nur 4 cm im diam. Sie legen sich. Einige Freunde haben sie in hängende Töpfe gepflanzt.
In der Kultur vertragen die erwähnten Arten geringe Mindesttemperaturen um plus 3 Grad, wenn sie im Winter trocken sind. Eine winterliche Trockenzeit erleben die Pflanzen in der Natur nicht, denn die Regenmenge im Winter ist dort in ihrer Heimat höher als jene des Sommers. Wenn Sie einen Bestäubungspartner für die Pflanzen haben, erzielen sie schlauchartige Früchte mit bis zu 130 Samen. Schon ab dem dritten Lebensjahr blühen die roten Notokakteen.
Weitere Informationen bekommen Sie in
www.notocactus.eu und
www.internoto.de
Norbert Gerloff
ngerloff@aol.com
Bibliografia/Literatur
Daeniker & Krainz (1948): Notocactus rutilans Daeniker & Krainz, Sukkulentenkunde 12: 19-20, 1948
Gerloff, Norbert (2008): Notocactus rutilans Daeniker ex Krainz fa. robustior forma nova
N. Gerloff, Internoto 29 (2), 27 - 38
H. Schlosser & A. J. Brederoo (1978): Notocactus roseiflorus, Kakteen und andere Sukkulenten, 29 (12) 273-278